In kyrillischer Schrift stand da das Wort "Zenit". Es war ein klapprig anmutendes Gehäuse, einige verstaubte Objektive in verschiedenen Längen und Ausmaßen und etwas Krempel, der wie sich später rausstellen sollte, wirklich einen Sinn hatte, wenn man ihn zu nutzen verstand. Natürlich hatte ich schon des Öfteren Bilder "geknipst", jedoch ohne mich mit der Technik, den vielen Zahlen und Knöpfen auseinander zu setzen. Einige Monate später bekam ich das Buch geschenkt: „Fotografieren lernen, sehen lernen“. Mit diesem Buch und der Kamera in der Hand, versuchte ich nun alle Knöpfe und Zahlen genau zu verstehen. Der fotografische Funke war gezündet.
In den darauf folgenden Reisen wurde alles Erdenkliche fotografisch festgehalten. Allerdings nicht mit dem für mich wertvollen Erbstück, sondern mit einer kleinen kompakteren ebenfalls analogen Kamera. Der Funke entflammte ein regelrechtes Begeisterungsfeuer. Immer wieder spielte ich mit dem Gedanken das Handwerk der Fotografie professionell zu erlernen, doch ich befand mich mitten im Studium der Musikwissenschaften und hatte, wodurch ich meine zweite Leidenschaft, das Theater entdeckte.
Weder das Studium noch die Arbeit im Theater wollte ich aufgeben. Die nächsten Jahre verbrachte ich also in Uni und Theater, in Theater und Uni und irgendwann nur noch im Theater. Es machte mir riesige Freude bei den kreativen Arbeiten mitzuwirken. Meine Freude daran war so riesig, so dass ich mich jetzt doch entschloss mein wissenschaftliches und viel zu theoretisches Studium gegen eigene Kreativität einzutauschen. Die Liebe zum Theater musste erstmal zurückstecken. Ein halbes Jahr lernte ich, mit der Kamera im Gepäck, auf einer Kunsthochschule die wesentlichen Künste, wie Malerei, Zeichnung, Bildhauerei und Fotografie intensiv kennen. Anstatt an der Staffelei verbrachte ich meine Zeit lieber in der Dunkelkammer.
Jetzt war mein Entschluss gefallen: Ich werde Fotografin!
Durch enormes Glück bin ich nun, zwei Jahre später, fertig mit meiner Ausbildung zur Fotografin. Außerdem weiß ich jetzt, dass ich das Theater und die Fotografie wunderbar miteinander verbinden kann. Jedes Theaterstück erlebe ich auf eine ganz eigene, sehr intime Art und Weise. Gleichzeitig kann ich das Erlebte sofort in meine eigene bildlichen Sprache übersetzen. Außerhalb des Theaters funktioniert das „Prinzip der Bühne“ genauso wunderbar. Egal wann und wo ich mit der Kamera unterwegs bin, stelle ich mir vor, dass ich durch den Kamerasucher als Zuschauer auf eine endlose Bühne schaue, auf der es mir möglich ist einzelne Szenen eines nicht endenden Theaterstückes fest zu halten. Ganz egal ob es um Architektur, Landschaften oder Menschen geht.
Meine „Zenit“ gibt es immer noch...